Autorbephial

Homo insipiens

Asphalt mäandert durch Klötze aus Beton.
Feinstaub szintilliert in stickoxidierter Luft,
Maschinen verwandeln äonenalte Algen
in Hektik und Abgas und zweiten Tod.

Alle drängen hin, die Quadratmeter
werden kleiner mit jedem Tag. Teilt
jene die haben von denen die sind,
treibt fort, verdrängt gedankenlos.

Seelenlos vereinsamt die Masse
im gentrifizierten Stuck,
besäuft sich am eigenen Ego
und feiert sich, so zu sein.

Auf dem Altar
der Kirche des Marktes,
kopflos geopfert:
Die Zukunft.

HGB

Die Beine zum O,
die Nase spitz
geformt.

Die Wörter
ausgegraben,
sorgsam gedreht
und gewendet.

Fein säuberlich,
wohl überlegt
angeordnet,
jedes am Platz.

zum Ende hin
scharf
angespitzt.

Verquer

Friede, Freiheit, keine Diktatur
Repetitiv in einer Tour
Demos das Stadtvolk
dümpelt dümmlich
durch die Gassen.
Stellt seinen
schmalen
Horizont
zur Schau
beschaulich
die Massen
beschaulich zur
Schau gestellt die
kognitive Dissonanz.
Dümmlich dümpelt
durch die Gassen
in repetitiver Tour
das Stadtvolk in Demos.
Frei. Ohne Diktatur.

Nachtgedanken

Denk ich an Deutschland,
gute Nacht.
Der Hass der Dummen
hat mal wieder
einen umgebracht.

Relativ schnell, wird
relativiert, ein
wahnhafter Irrer
wird insistiert.

Verantwortung wird
abgewiesen
hat doch keiner
kommen sehen.

Und irgendwo
im stillen
Kämmerlein
lacht sich ein Björn
ins Fäustchen rein.

Angezählt

Eingeteilt
von Sechs bis Eins
und wenn ich mal groß bin
von Eins bis Fünfzehn

Und dann von
stets zur vollsten
bis bemühten
Zufriedenheit

Am Ende dann
nur Fichte
oder eben
deutsche Eiche

Scharmützel

Testosteron und Ethanol.
das Eine kommt zum Andern.
Staatsgewalt mit Monopol,
das Andere zum Einen.

Worte fallen
Steine fliegen
Glas zerbirst
Worte verhallen.

Scharmützelnd
rollt der aufgeladene Mob
durch die Fußgängerzone.

Empörung
krawallt
durch Netz und Papier.

Die Frage nach
dem „Warum?“
und „Was jetzt?“
wurde weit
weniger oft
gestellt.

Erneuerung

Der Wind verweht das Kleid der Landschaft
und deckt den kalten Boden braungelb zu
das letzte warme Licht der frühen Sonne
färbt die ersten Tropfen Tau in Gold.
 
Was vor kurzem noch in voller Blüte stand
ist jetzt vom Welken fest durchdrungen
wo Odem wehte noch mit Kraft durch Zweige
liegt nun der trübe, nasse Hauch des Todes.
 
Und langsam, immer schneller
fällt die Landschaft starr zum Tod
um dann immer, immer wieder
frisch und stark ihr Leben neu zu gründen.

Samstagabend 2004

10 Euro plus Getränk
Musik laut, Luft warm
3 Bier bitte
 
Licht flackert, Schweißgeruch
Feuer, Zigarette an
3 Schnaps bitte
 
Er tanzt, sie tanzt
zurück zur Bar
3 Alkopops bitte
 
So weiter, so fort
Tanzfläche, Bar
3 Strophen später
 
Musik aus, dunkel
Parkplatz
Auto
 
Radio laut, Licht aus
Stille, Blaulicht
3 tot.

Ich rede gerade

Die Information
die wir haben:
Dass es keinen
politischen
Hintergrund hat,

ist erst mal
kein Anlass
zur Entwarnung.
Im Gegenteil,
das macht es

eher schwieriger.
Denn bei dem
politischen Hintergrund,
ist klar wohin
man ermittelt.

 „Polizeidiktatur ist schuld!“

Halten Sie
bitte
die Fresse!
Danke
ich rede
gerade.

 „Ja, Fresse!“

Ja ich rede
gerade
Wir sind hier
in Deutschland
Ich rede
gerade
bitte Maul halten.
Danke.

 „Die Polizeidiktatur, einfache Menschen bestrafen!“

Ja jetzt gehen Sie
mal bitte
zur Seite.

 „Straßenmusiker, 200 Euro.“

Gehn Sie
bitte
zur Seite.
Ich rede gerade.
Ich rede gerade,
gehen sie
mal
zur Seite.

 „Regeln. Es gibt Gesetze.“

So,
jetzt machen
wir weiter.

Vom Dichten

Im Gedicht verdichtet Sprache sich
So lernt man in den Schulen heute
Doch solln die Worte rühren mich
Das ist doch wichtig liebe Leute
 
Und wenn es Strophen hat und Zeilen
Dann muss das doch noch lang nichts heißen
Wenn’s nicht im Herzen schmerzt bisweilen
Kann’s mich auch nicht vom Hocker reißen
 
Und sei es noch so einfach, schlicht
Wenn es Gefühle löst
Dann ist’s, ganz einfach, ein Gedicht
 
Soviel dann zur Gedichtlichkeit
Drum schreib ich jetzt den letzten Vers
In ihrer tiefsten Verbundenheit
Was noch zu sagen blieb: Das wär’s!

Walser

So schrieb er denn der Schweizer,
vor allem kurze Prosastücke.
Man denkt sich na schau her,
der hat ja Mut zur Lücke.

Und ließt man doch,
wird man gefangen,
nicht losgelassen noch
bis man am Ende angelangen.

Salat

Da lese ich den Nathan und ess dazu Salat,
so recht mag’s mir nicht schmecken,
es ist doch etwas fad.


Da denk ich so bei mir: „Mensch Lessing“,
die Lösung kann so einfach sein,
probier’s mal mit French Dressing.

Hintergrund
Entstand nach einer Robert Gernhardt Lesung, in welcher er damit spielte, dass es auf „Mensch“ keinen Reim gibt.

So ist es

Ich sitze hier im Dunkel
und schreibe Buchstabe um Buchstabe
auf dieses Stück Papier.

Aus Zeichen werden Wörter
die sich reihen
auf diesem Stück Papier.

Die Wörter werden Worte
die Dunkelheit vertreiben
von diesem Stück Papier.

Ich sitze hier nun wird es heller
Und auf einmal ist es Licht!
Auf dieses Stück Papier
schrieb ich ein Gedicht.

Sinne

Reden und Nichts sagen.
Schauen und Nichts sehen.
Tasten und Nichts fühlen.
Ist ein Massenphänomen.

Sagen ohne zu reden.
Sehen ohne zu schauen.
Fühlen ohne zu tasten.
Ist die wahre Kunst des Lebens.

Nach dem Regen

So wie die Sonne nach dem Regen,
wenn sich die Wolken niederlegen,
wenn sich die Welten wieder regen:
So wird es immer sein.


So wie der Regenbogen auf-
sind die dunklen Wolken abgezogen.
Ist uns die Wittrung wieder wohlgewogen:
So wird es immer sein.


So wie die Sonne heute strahlt,
so hat sich doch das Unwetter
mal wieder ausgezahlt.